Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 3/15 - page 25

Wissenschaft und Forschung
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Fotos: Jan-Peter Kasper/FSU, Anne Günther/FSU
„Die Grundidee des nachhaltigen Investierens besteht darin, bei
Investitionsentscheidungen neben finanziellen Aspekten weitere
nichtfinanzielle Kriterien zu berücksichtigen, etwa ökologische, so-
ziale oder ethische“, erläutert Stefanie Hiß. Seine historischen
Ursprünge liegen in den USA, wo bereits Anfang des 20. Jahrhunderts
kirchliche Gruppierungen Investitionen in Unternehmen vermieden,
die in das Geschäft mit „sündigen“ Waren wie Alkohol oder Tabak
verwickelt waren. Inzwischen habe sich diese Art des Investierens
auch in Deutschland etabliert, wenn auch erst als Nischenphänomen.
Mit dem aktuellen Forschungsvorhaben, an dem über einen beglei-
tenden Runden Tisch auch Praxispartner eingebunden sind, wollen
Prof. Hiß und ihr Team daher untersuchen, ob sich das nachhaltige
Investieren zur Stabilisierung des Finanzsystems eignet.
Zentral sei dabei die Annahme, dass nachhaltiges Investieren das
Finanzsystem heterogener macht. Zudem liefert es Impulse für das
Finanzsystem, „da nachhaltige Geldströme eher transparent gestal-
tet sind und die für den Finanzmarkt charakteristische Anonymität
der Geschäfte aufheben“, so Stefanie Hiß. Das Jenaer Projektteam
zielt dabei nicht auf die quantitative Bestimmung dieses Potenzials,
sondern analysiert institutionelle Logiken, Akteure und Strukturen
des nachhaltigen Investierens in Deutschland und unterzieht diese
einem internationalen Vergleich. „Wir vermuten einen Zusammen-
hang zwischen den herrschenden Rahmenbedingungen und den län-
derspezifischen Ausprägungen des nachhaltigen Investierens. Uns
geht es darum, systematisch aufzudecken, wie dieser Zusammen-
hang aussieht und was wir davon für Deutschland lernen können“,
unterstreicht die Jenaer Soziologin. (us)
Soziologinnen und Soziologen der Universität Jena untersuchen die Wirkung des nachhaltigen Investierens auf
die Stabilität der Finanzmärkte.
Jenaer Forschungen zu nachhaltig
stabilen Finanzmärkten
Der finanzielle Absturz Griechenlands bestimmt seit Monaten nicht
nur die europäische Politik, sondern auch die internationalen
Schlagzeilen: Während die einen vom „Grexit“, dem Austritt des
Landes aus der Euro-Zone, reden, pocht die griechische Regierung
auf einen Schuldenerlass durch ihre Gläubiger und bringt sogar die
Forderung nach Reparationszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg
ins Spiel. „Angesichts dieser schwierigen politischen wie finanziellen
Lage Griechenlands wird leicht übersehen, dass dies nur das jüngs-
te Beispiel einer andauernden fundamentalen Krise des internatio-
nalen Finanzsystems ist“, macht Prof. Dr. Stefanie Hiß von der Fried-
rich-Schiller-Universität Jena deutlich. Diese reiche vom Platzen der
Immobilienblase in den USA 2007 über den Zusammenbruch von
Lehman Brothers bis zu weltweiten Rettungspaketen und überschul-
deten Staatshaushalten von heute. „Die zentralen Handlungsmotive
der Finanzmärkte – Rendite, Risiko und Kurzfristigkeit – scheinen
das System von innen heraus zu zermürben“, so die Auffassung der
Soziologin.
Der Frage, wie diese hochgradig fragilen Mechanismen und
Strukturen der globalen Finanzmärkte durchbrochen werden kön-
nen, um künftig Krisen solchen Ausmaßes gar nicht erst entstehen zu
lassen, gehen Soziologinnen und Soziologen der Uni Jena in einem
neuen Forschungsprojekt nach. Das Projekt „Doppelte Dividende?
Beitrag des nachhaltigen Investierens zur Stabilisierung des
Finanzmarkts“ unter der Leitung von Prof. Hiß ist im April gestartet
und wird im Rahmen der Förderinitiative „Finanzsystem und
Gesellschaft“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) für drei Jahre mit 672.000 Euro gefördert.
Beim Investment
auch nichtfinanzielle
Kriterien
berücksichtigen.
Prof. Dr. Stefanie Hiß,
Friedrich-Schiller Universität Jena
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