Wirtschaftsspiegel Thüringen - Ausgabe 3/15 - page 34

Thüringen denkt weiter
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Foto: Vladimir Vitek/fotolia
Der demografische Wandel hinterlässt deutliche Spuren im deutschen Mittel-
stand: Die Inhaber von 1,3 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen
(KMU) sind 55 Jahre oder älter – das entspricht rund einem Drittel aller Mittel-
ständler in Deutschland. Wie eine aktuelle repräsentative Analyse von KfW
Research auf Basis des KfW-Mittelstandspanels zeigt, ist der Anteil dieser
Altersgruppe unter den mittelständischen Unternehmern seit 2002 viermal so
stark gestiegen wie in der Gesamtbevölkerung (+16 Prozentpunkte bzw. +4 Pro-
zentpunkte). Gleichzeitig fehlt es trotz jüngst etwas anziehender Gründerzah-
len (einschließlich der Nachfolger) an ausreichend Unternehmernachwuchs.
Mittelstand: Alterung hemmt
Investitionen
Die beschleunigte Alterung im Mittel-
stand hat negative Folgen für die ge-
samte Volkswirtschaft: Die Investitions-
bereitschaft von Inhabern sinkt mit
zunehmendem Alter rasant. Von den
Unternehmern über 60 Jahren investiert
laut KfW-Analyse nur noch rund jeder
Dritte. Die anderen ziehen sich aus der
Weiterentwicklung ihres Unternehmens
zurück. Das gefährdet den künftigen
Geschäftserfolg, bremst Modernisierung
und reduziert gesamtwirtschaftliches
Wachstum. Sinkt die Wettbewerbsfähig-
keit, sind oft Arbeitsplätze gefährdet.
Das Durchschnittsalter eines Chefs im Mittelstand lag
zuletzt bei 51 Jahren (2002: 45 Jahre). Betroffen von
der schnell voranschreitenden Alterung sind nahezu
alle Branchen. Besonders schnell in Richtung Demo-
grafiefalle bewegen sich die kleinen und mittleren
Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit ei-
nem durchschnittlichen Inhaberalter von 54 Jahren.
Unabhängig vom Wirtschaftszweig haben große Mit-
telständler tendenziell ältere Inhaber. Bei den großen
Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten liegt das
Durchschnittsalter des Inhabers bei 53 Jahren.
Wie die aktuelle KfW-Analyse der Unternehmens-
investitionen der Jahre 2004 – 2013 zeigt, ist der
Zusammenhang zwischen Inhaberalter
und Investitionsbereitschaft unverkenn-
bar: 57 Prozent der Unternehmen mit
Chefs unter 40 Jahren investieren. Mit
steigendem Unternehmeralter sinkt der
Investorenanteil deutlich. Bei den über
60-jährigen Unternehmensinhabern er-
reicht er nur noch 37 Prozent.
Auch die Art der Investition verändert
sich mit steigendem Alter. Stärker risi-
kobehaftete und kapitalbindende Vor-
haben werden seltener, die noch durch-
geführten Investitionen dienen in erster
Linie der Pflege des Kapitalstocks. Die
geringere Investitionsneigung hat gra-
vierende Folgen für die Unternehmens-
substanz. Bei acht von zehn Mittel-
ständlern mit älteren Inhabern über-
steigt der Wertverlust des Kapitalstocks
das Volumen der Neuinvestitionen.
Eine zentrale Ursache für die abflauen-
de Investitionsbereitschaft älterer Un-
ternehmer ist deren kurzer Planungs-
horizont, die Risikobereitschaft sinkt.
Rückt ein Inhaber näher an das Ren-
tenalter heran, besitzen viele Vorhaben
eine aus seiner Sicht zu lange Amor-
tisationsdauer. Das gilt umso mehr für
alle längerfristig finanzmittelbinden-
den – dafür aber auch wettbewerbs-
stärkenden – Zukunftsinvestitionen.
„Der deutsche Mittelstand altert im
Zeitraffer“, sagt Dr. Jörg Zeuner, Chef-
volkswirt der KfW. „Weil ältere Chefs
wesentlich seltener investieren, droht
vielen kleinen und mittleren Unterneh-
men durchaus ein Verlust an Wettbe-
werbsfähigkeit und Anziehungskraft für
neue Kunden. Das mindert den Wert des
Unternehmens, in dem oft ein ganzes
Arbeitsleben steckt.“ Dieses Risiko müs-
se auch im Interesse sicherer Arbeits-
plätze reduziert werden. (em/tl)
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